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Informationen rund um das Thema Gewitter

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VI. Die Superzelle
Beispiele von verschiedenen Superzellen

Dieser Gewittertyp ist für den Meteorologen und Hobbymeteorologen, insbesondere für den Gewitterjäger, aber auch für den gewöhnlichen Betrachter des Wettergeschehens der wohl imposanteste, kräftigste und interessanteste Gewittertyp schlechthin, der für die unangenehmsten Witterungsüberraschungen sorgen kann. Da die Superzelle ein komplexes, zuweilen auch kompliziertes Gewittersystem ist, möchte ich diesen Bestandteil der "Theorie" in mehrere, nicht allzu formale Abschnitte unterteilen und hoffe, die wichtigsten Komponenten in diesem kurzen Aufsatz für jedermann verständlich präsentieren zu können.
1. Einführung
Um von einer Superzelle sprechen zu können, muss zunächst eine Gewitterzelle vorhanden sein, die einen separat vom Abwindbereich getrennten Aufwindbereich enthält, wobei die Größe der Zelle hier vollkommen egal ist - oft werden Superzellen nämlich mit extrem großen und unheimlichen Gewitterzellen assoziiert, doch dass muss nicht immer der Fall sein. Diese Tatsachen alleine genügen jedoch nicht, denn wir können erst dann von einer Superzelle sprechen, wenn sich der Aufwindbereich dreht. Ist dies der Fall, besteht auch erst die Möglichkeit, dass das Gewitter langlebig und äußerst intensiv werden kann. Oft kann dabei beobachtet werden, dass durch die starke Rotationsbewegung innerhalb der Zelle eine klare Abweichung ihres Bewegungsmusters im Vergleich zur Höhenströmung erkennbar wird. Dann spricht man von so genannten "Right-" und "Left-Movern".

Bevor wir also auf die für das Verständnis wichtige Theorie der Superzelle eingehen, möchte ich noch eine schematische Darstellung zeigen, die eine Superzelle mit Tornado darstellt:
2. Voraussetzungen
Folgende Faktoren sind für die Entstehung einer Superzelle unerlässlich und werden an dieser Stelle nur kurz genannt: das die Feuchte und den vertikalen Temperaturgradienten enthaltende Cape (Erklärung und Berechnung siehe oben), Hebung und Geschwindigkeitsscherung, die auch als vertikale Windscherung bekannt ist und den mit der Höhe zunehmenden Wind bezeichnet. Dies sind die wichtigsten Parameter, die ein Gewitter braucht um überhaupt entstehen und später eventuell zu einer Superzelle auswachsen zu können. Analog zur Geschwindigkeitsscherung sei auch noch die Richtungsscherung genannt, die auch oft in einem Zug mit der vertikalen Scherung genannt und als Ausdruck für sich verändernde Windrichtungen verwendet wird.
3. Rotation der Zelle
3.1 Scherungsvorticity
Man stelle sich eine Situation vor, in der am Boden schwacher Südwind und in der Höhe starker Südwind herrscht - dies ist das klassische Beispiel der mit der Höhe zunehmenden Windgeschwindigkeit: wenn man einen oder unzählbar viele imaginäre Stäbe oder reeller ausgedrückt, Luftpakete aufrecht in dieses Windfeld bringt, beginnt sich dieses vertikale Luftpaket um eine horizontale Ost-West Achse zu drehen, dabei bewegt sich das Luftpaket an seinem Mittelpunkt, wo die Drehachse ist, mit dem mittleren Wind nach Norden.

Stellt man sich nun eine Gewitterzelle vor, die in dieses Windfeld gerät, folgt sie dem mittleren Wind nach Norden, von wo aus auch die Luft in das Gewitter von vorne hineinströmt. Da der Wind mit der Höhe zunimmt, ist auch "Scherungsvorticity" zu beobachten und die Luftpakete beginnen zu rotieren und zwar um eine horizontale Ost-West Achse. Da die Luft von Norden hereinströmt, also genau senkrecht zu ihrer Rotationsachse, entsteht folgendes Problem in unserem Experiment: die vertikale Rotation fehlt, denn bisher können wir nur horizontale Rotation beobachten (crosswise vorticity).
3.2 Vertikale Vorticity
Lösen können wir dieses Problem nur mit der vertikalen Vorticity im Aufwind, die wir nur dann beobachten können, wenn die Luftpakete so rotieren, dass ihre Rotationsachse parallel zur Einströmungsrichtung in die Zelle gerichtet ist (streamwise vorticity). Die jeweils identischen Luftpakete verschiedener Höhen befinden sich auf ihren (Feucht-) Isentropen, also der Flächen konstanter Theta-E bzw. potentiell äquivalenter Temperaturen. Da die Gewitter durch die aufsteigende Luftmasse wärmere Luft enthalten, werden diese Isentropen samt ihrer Luftpakete gekippt, sobald sie ein Gewitter passieren. Nun bleibt die horizontale Rotationsachse nicht mehr erhalten sondern in die Vertikale gekippt, so dass sich im gesamten Aufwind lauter rotierende Luftpakete befinden, die durch den Pirouetten-Effekt meist im zwei bis drei Kilometer Höhenbereich konzentriert werden. Die Folge ist im Allgemeinen zyklonale Rotation - eine Mesozyklone ist entstanden - die sich in der Praxis, wie bereits unter der Kategorie "Tornados" beschrieben, anhand eines Doppler Radars lokalisieren lässt. Man darf allerdings nicht vergessen, dass sich die Zelle selbst bewegt und muss herausfinden, ob die Luftpakete relativ zum Gewitter streamwise vorticity aufweisen. Das wird vor allem dann der Fall sein, wenn sich die Strömung relativ zum Gewitter in den untersten Luftschichten stark dreht. Dieser Effekt wird auch Helicity genannt und wird anhand eines Hodogramms dargestellt. Anhand recht einfacher Vektorenrechnung lässt sich somit der bereits im Abschnitt "Parameter der Gewittervorhersage" erwähnte und äußerst wichtige SREH-Index berechnen.
3.3 Rear-Flank Downdraft ( RFD )
Bisher haben wir gesehen, wie sich Rotation in den mittleren und höheren Schichten der Superzelle erklären lässt. Damit diese auch nahe des Erdbodens, also auch in den untersten der Gewitterbasis entsteht, müssen weitere Erklärungen herangezogen werden, die allerdings von der Wissenschaft noch nicht ganz geklärt wurden.

Es handelt sich hier um den rückseitigen Fallwind (RFD), der dann entsteht, wenn durch die Rotation der Zelle Teile des Niederschlag enthaltenden Abwindes um die Mesozyklone herum nach Süden geführt werden. Dabei entsteht ebenfalls Vorticity, da sich die relativ zur Bewegungsrichtung links liegenden absinkenden Luftpakete mit warmer aufsteigender Luft aufwärts und die anderen rechts liegenden Luftpakete mit kalter Luft abwärts bewegen. Diese Vorticity kann in die Vertikale gekippt werden, so dass wiederum zyklonale Rotation nahe des Erdbodens entsteht, die im Zusammenhang mit der Konvergenz unter der Zelle verstärkt wird und wo sich auch die Wall Cloud befindet, sofern diese entsteht.
3.4 Rotation im Zusammenhang mit dem vertikalen Feuchteprofil
Die Labilitätsenergie ist ebenfalls von Bedeutung für die Entstehung bodennaher Rotation, denn wenn die Luftmasse oberhalb der wichtigen feuchten Grundschicht sehr trocken ist, kann viel Niederschlag verdunsten, so dass sich in der Folge das Abwindgebiet stark abkühlen kann. Dadurch verstärkt sich die Baroklinie unterhalb der Zelle, so dass sich die Rotation am Boden verstärkt. Um das Entstehen einer Gewitterzelle zu ermöglichen, ist Cape ohnehin fast unerlässlich, doch es zeigt sich immer wieder, dass für die Entstehung von Superzellen nicht unbedingt sehr hohe Cape-Werte von Nöten sind. Besonders wichtig ist die starke Scherung, um die Trennung von Auf- und Abwindbereich zu ermöglichen - so kommt es oft vor, dass schon bei Werten <1000 J/Kg Superzellen entstehen, sofern die Scherung stark ist. Dieser Fall kommt in der Schweiz und im SW Deutschlands sogar recht häufig vor. Trotz alledem besteht die perfekte Mischung aus hohen Cape-Werten und starker Scherung - in den USA entstehen sehr viele Superzellen bei Werten über 4.000 J/Kg...
4. Langlebigkeit
Dass eine Superzelle wesentlich länger überdauern kann als eine "normale" Gewitterzelle wurde bereits mehrfach erwähnt. Doch wie kommt es dazu? Stellen wir uns ein Wärmegewitter über dem Schwarzwald vor, dass bei einer flachen Druckverteilung und schwachen Höhenwinden entsteht. Es wird wohl kaum länger als eine gute dreiviertel Stunde aktiv bleiben, da der produzierte Niederschlag nach Erreichen des Cb-Stadiums rasch in das Aufwindgebiet zurückfällt und dieses somit zerstört. Bei einer Superzelle sieht das anders aus: wir haben es dann mit einem separat vom Aufwind getrennten Abwindbereich zu tun; zudem ist der Aufwindbereich stark geneigt, was mit der Scherungsvorticity erklärbar ist und somit verhindert, dass der Niederschlag in den Aufwindbereich zurückfällt.

Die meisten Superzellen entstehen in der Schweiz wie auch in Süddeutschland oder grundsätzlich dann, wenn wir bodennahe Südwinde vorfinden, während in der Höhe bereits Südwestwind herrscht. Dies führt im Falle der Bildung von Superzellen zu einem Druckfall im mittelhohen Niveau, so dass die Luftmassen am Südrand der Zelle stets stark gehoben werden, was dort die Aufwindgeschwindigkeit erhöht und letztendlich für die intensiven und oft unwetterartigen Erscheinungen sorgt. Das soll nicht bedeuten, dass nur dann Superzellen entstehen können - natürlich geht das auch bei anderen Wetterlagen, doch es ist nun mal die am häufigsten vorkommende Variante.
5. Wettererscheinungen
Eine Superzelle ist oft für die heftigsten bei Gewittern möglichen Erscheinungen verantwortlich. In diesem Sinne fasse ich mich in diesem Abschnitt recht kurz, da vor allem meine Chasings hier als geeignet erscheinen, die verschiedensten Wetterkapriolen von der Einzelzelle bis hin zur Superzelle kennenzulernen.

In den USA wie auch bei uns ist bei Superzellen mit dem Auftreten von Tornados unterhalb der Mesozyklone zu rechnen, die sich im Grenzbereich zwischen dem Auf- und Abwindbereich befindet. Auch sonst sind entlang der Böenfront oder bei heftigen neuen Aufwindimpulsen Gustnados oder Landspouts möglich, die auch als Tornado klassifiziert werden, jedoch nicht in Verbindung mit organisierter Rotation stehen und daher oft als solche bezeichnet werden. Weit häufiger ist bei uns je nach Durchmischung der Luftmassen mit schweren Böen bis hin zur Orkanstärke zu rechnen, wobei die meist entlang der Böenfront oder innerhalb der Extremniederschlagsbereichs der Zelle auftreten. Doch auch der Inflow einer Zelle kann bereits zu stürmischen Böen führen und ist daher besonders beeindruckend, da man hier quasi beobachten kann, wie die Zelle "atmet". Befindet man sich dann im Extremniederschlagsbereich, der diesen Namen zurecht trägt, kommt es häufig zu Hagelschlag, der für die Landwirtschaft, aber auch für jeden anderen Betroffenen verheerende Auswirkungen haben kann, da Hagelkörner die Größe von Softbällen erreichen können. Kommen dann noch Sturm- oder Orkanböen hinzu, sind die Schäden oft immens. Im Durchschnitt erreichen die Körner allerdings "nur" eine Größe von zwei bis drei Zentimetern. Als Schlusspunkt möchte ich nicht vergessen, die gefährlichen Blitze zu erwähnen, die im Falle von Erdblitzen sehr gefährlich werden können und immer wieder für tragische Unfälle sorgen - dabei kommt es bei Superzellen nicht häufig zu Blitzraten von 50 bis 80/min.
6. Die drei Kategorien der Superzelle
6.1 Low Precipitation Supercell ( LP )
Diese Form der Superzelle ist oft von sehr spektakulärer Natur und führt meines Erachtens folglich zu einigen der schönsten Gewitterfotografien, die man im weltweiten Netz finden kann. Fakt ist, dass diese Kategorie der Superzelle bei uns nur sehr selten anzutreffen und hauptsächlich in den Plains der USA vorzufinden ist. Charakteristisch ist auch hier die klare Trennung von Auf- und Abwindbereich - doch wie der Name schon sagt, ist im Abwindbereich vergleichsweise wenig Niederschlag vorzufinden. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Niederschlag harmlos ist, denn auch hier sind häufig extrem große Hagelgeschosse anzutreffen; der Niederschlag fällt aufgrund der geringen Ausdehnung der Zelle einfach nicht sehr dicht oder ist visuell nur schwer zu erkennen. Zudem ist die gesamte Gewitterzelle meist herrlich in ihrer gesamten Struktur beobachtbar und der Aufwindbereich nimmt zuweilen skurrile Formen an - außerdem ist hier oft Rotation im gesamten Aufwindbereich Zelle zu beobachten. Allerdings gibt es vergleichsweise wenige Tornados aus dieser Superzellenform, obwohl ansonsten alle bereits beschriebenen Kategorien, die eine Superzelle ausmachen hier anzutreffen sind. Hin und wieder sind diese Zellen auch das Vorstadium zu den anderen beiden Formen.
6.2 Classic Supercell
Mit dieser Art der Superzelle ist auch bei uns zu rechnen. Im Prinzip ist diese Form weit verbreitet und ebenfalls oft von atemberaubender Form, da hier eine große Basis und ein großer Abwindbereich vorzufinden sind. Hinzu kommt, dass oft große Böenfronten anzutreffen sind, häufiger schwere Sturm- oder Orkanböen auftreten und unter der Basis große Wall Clouds entstehen, die später auch Tornados hervorrufen können. Um sie rasch von der LP-Superzelle unterscheiden zu können, bleibt noch zu erwähnen, dass der Extremniederschlagsbereich wie auch die gesamte Zelle an sich auch auf dem Radar erkennbar größer ist, meist häufiger Tornados produziert und ebenfalls extrem gefährlichen Hagelschlag hervorruft - doch dies ist natürlich bei allen Formen von Superzellen der Fall.
6.3 High Precipitation Supercell ( HP )
Im Vergleich zu den anderen beiden Kategorien sind hier vor allem großflächige, kräftige und oft unwetterartige Niederschläge vorzufinden, zudem wirkt die Superzelle häufig wie eine große Gewitterlinie, da sie sehr groß ist und von einer langgestreckten, oft in laminaren Formen auftretenden Böenfront begleitete wird, so dass der eigentliche Aufwindbereich kaum noch wie bei den beiden anderen Formen der Superzelle zu erkennen ist. Auch hier kann es zu Tornados kommen, diese Form tritt zuweilen auch oft in Deutschland auf, doch insgesamt betrachtet sind HP Zellen eher "outflowdominant", das heißt es treten schwere Sturm- oder Orkanböen auf, die darauf hindeuten, dass die Superzelle sich bald abschwächen sollte - der Inflow ist hier oft nicht mehr stark ausgebildet.
7. Weiterführende Links

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